26. & 27. 10. 2012: Menschen mit Behinderungen im Deutschen Bundestag
Zwei Tage lang waren 300 Menschen mit Behinderungen im Deutschen Bundestag zu Gast, um mit Abgeordneten über die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zu debattieren.
Trotz unterschiedlicher Schwerpunkte in den Arbeitsgruppen, zogen sich einige Themen durch fast alle Gespräche: So besteht insbesondere im Ausbau der Barrierefreiheit dringender Handlungsbedarf. Auch die Qualifizierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei den Rehabilitationsträgern und in Behörden muss verbessert werden. Menschen mit Behinderungen werden nicht selbstverständlich als Gesprächspartner auf Augenhöhe ernst genommen, sondern noch viel zu häufig vertröstet oder mitleidig behandelt. Themenübergreifend wurde auch auf die negativen finanziellen Folgen hingewiesen, die sich aus einer Behinderung noch viel zu oft ergeben.
Barrierefreiheit! Bewusstseinswandel! Gerechte Nachteilsausgleiche!
Barrieren können in nahezu allen Lebensbereichen auftreten, entsprechend facettenrecht wurde das Thema auch auf der Veranstaltung angesprochen. So forderten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bauliche Barrieren im Wohn- und Verkehrsbereich rückzubauen bzw. von vornherein zu vermeiden und kommunikative Barrieren durch stärkere Verbreitung von Leichter Sprache und Gebärdensprache auszugleichen. Gesetze und Verordnungen müssen verständlicher formuliert und Barrierefreiheit in diesem breit angelegten Verständnis in zahlreichen Ausbildungsgängen (Architektur, Medizin, Lehramt etc.) verankert werden.
In fast allen Arbeitsgruppen berichteten Teilnehmerinnen und Teilnehmer davon, dass sie in ihren Anliegen schlecht beraten oder unberechtigterweise weiterverwiesen wurden. Das betraf die Heil- und Hilfsmittelversorgung ebenso wie etwa Kontakte mit Integrationsämtern. Auch von langen Wartezeiten bei der Bearbeitung von Anträgen durch Rehabilitationsträger und von Streitfällen vor Gericht wurde in zahlreichen Arbeitsgruppen berichtet. Folgerichtig wurden Maßnahmen zur Qualifizierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gefordert. Um zu verhindern, dass Streifragen in so großer Zahl vor Gericht geklärt werden müssen, wurde eine Stärkung außergerichtlicher Schiedsstellen vorgeschlagen.
Wenn Menschen Unterstützung zum Ausgleich ihrer Behinderung benötigen, so handelt es sich dabei um menschenrechtlich garantierte Ansprüche. Die Anrechnung von Einkommen und Vermögen auf diese Leistungen, die sich aus der Verankerung der Eingliederungshilfe im Sozialhilferecht ergibt, steht einem menschenrechtlich orientierten Ansatz entgegen. Entsprechend deutlich wurde die Abschaffung der Anrechnung auf von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Bundestagsveranstaltung gefordert.
Und wie geht es weiter?
Der Bundestag ist im Zuge dieser Veranstaltung barrierefreier geworden: Auf seinen Internetseiten informiert er jetzt auch in Leichter Sprache über seine Arbeit, zahlreiche kleine bauliche Veränderungen (wie z.B. neue "erstastbare" Schalter an Aufzügen) werden auch nach der Veranstaltung bleiben. Wie nachhaltig die inhaltlichen Impulse Eingang in parlamentarische Beratungen finden werden, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.
Auf der Veranstaltung wurden viele Forderungen bestätigt, die wir Grüne bereits seit Jahren in die politische Debatte tragen. Behinderungsbedingte Nachteilsausgleiche ohne Anrechnung auf Einkommen und Vermögen zu gestalten ist seit Jahren Grüne Position. Erschreckend war es, in so großer Zahl von Menschen mit Behinderungen zu hören, dass sie für Leistungen, die ihnen eigentlich selbstverständlich zustehen, oft monatelang kämpfen und nicht selten vor die Gerichte ziehen müssen.
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