27.03.2020 – Rentenpolitik
„Die Rentenkommission hat sich leider auf keine beherzte Strategie zur langfristigen Stabilisierung des Rentenniveaus einigen können. Dabei ist das Rentenniveau der Dreh- und Angelpunkt für die Akzeptanz und die Leistungsfähigkeit der Pflichtversicherung. Nur wenn die gesetzliche Rentenversicherung langfristig als Einkommensversicherung funktioniert und nicht zu einem notdürftigen System der Armutsvermeidung verkommt, werden die Versicherten auf das verpflichtende Umlagesystem vertrauen.
Um diese wichtigste rentenpolitische Aufgabe der kommenden Jahre zu bewältigen, müssen alle beteiligten Seiten bereit sein, über ihren Schatten zu springen und zu Zugeständnissen bereit sein. Arbeitgeber, Beschäftigte und Steuerzahler müssen aufeinander zukommen, wenn das Rentenniveau gesichert werden soll. Weder darf ein höherer Beitragssatz noch eine differenzierte Diskussion über ein längeres und gesünderes Arbeiten im Alter ein Tabu sein. Die Debatte um eine steigende Regelaltersgrenze ist allerdings zur Zeit nicht geeignet, Lösungen zu schaffen, die auch denjenigen Beschäftigten gerecht wird, denen es schon heute aus gesundheitlichen Gründen nicht gelingt, bis zum regulären Renteneintritt im Erwerbsleben zu bleiben. Die Arbeitgeber sind deshalb gefordert, ihre Anstrengungen zur Schaffung von alterns- und altersgerechten Arbeitsbedingungen massiv zu verstärken. Spätestens die kommende Bundesregierung kann und muss über Reformen der Teil- und der Erwerbsminderungsrente sowie über eine Stärkung von Prävention und Rehabilitation die Bedingungen weiter verbessern. Ein so flankiertes höheres Renteneintrittsalter und eine längere Lebensarbeitszeit können so erheblich zu einer Stabilisierung der Rentenversicherung beitragen, ohne dass sie auf eine faktische Rentenkürzung hinauslaufen. Das Ergebnis wäre aus Sicht der Beschäftigten eine Art Tauschgeschäft: Zwar arbeiten sie länger, können aber sicher sein, dass das Rentenniveau stabil bleibt und ihre Rente zum Leben reicht. Zudem ist ein hoher Beschäftigungsstand von Älteren nicht zuletzt aufgrund des kommenden Fachkräftemangels unerlässlich.
Wir Grüne schlagen insgesamt einen ergänzenden Maßnahmenmix zur Stabilisierung der Rentenfinanzen vor: Erstens wollen wir die Einnahmebasis der Rentenversicherung stärken, indem wir die Chancen von Frauen am Arbeitsmarkt erhöhen, Migrantinnen und Migranten besser in die Berufswelt integrieren und bislang ausgeschlossene Gruppen, wie Selbständige, PolitikerInnen und BeamtInnen, in die Rentenversicherung aufnehmen. Zweitens sind die rentenpolitischen Fehlfinanzierungen der letzten Jahre, etwa die Mütterrente, vollständig über Bundesmittel zu tragen. Drittens ist über 2025 hinaus ein steuerfinanzierter Stabilisierungsbeitrag in die Rentenkasse notwendig. Und nicht zuletzt ist viertens als Ultima Ratio auch ein höherer Rentenbeitragssatz denkbar.“