Öffentliche Anhörung: Nachbesserungen am SGB IX sind nötig!
Fast ein halbes Jahr nach der Öffentlichen Anhörung zum Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention befragten die Abgeordneten des Ausschuss für Arbeit und Soziales am Montag in einer weiteren Öffentlichen Anhörung Expertinnen und Experten zu vier behindertenpolitischen Anträgen der Opposition.
Die Grüne Bundestagsfraktion fordert in ihrem Antrag die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung des Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) im Sinne des Selbstbestimmungsrechts von Menschen mit Behinderungen vorzulegen. Denn auch wenn das das SGB IX zu zahlreichen Verbesserungen geführt hat, machen viele Menschen mit Behinderung die Erfahrung, dass Rehabilitationsträger die Vorschriften des SGB IX nicht oder nur unvollständig anwenden und seine Regelungsgegenstände noch immer als nachrangig behandeln.
Der Sachverständige Michael Conty, Vorsitzender des Bundesverbandes evangelische Behindertenhilfe (BeB e.V.) machte das Problem im Rahmen der Anhörung mit einem Beispiel deutlich: Wenn ein behinderter Mensch mit einem Inkontinenzproblem eine Leistung bei seiner Krankenkasse beantragt, auf die er zunächst verwiesen wird, bekommt er Inkontinenzeinlagen, die alle Versicherten von der Krankenkasse bekommen. Viele Menschen mit Behinderungen benötigen aber Windelhosen. Diese bekommt man nur über den Sozialhilfeträger, wenn man zunächst die entsprechende Leistung bei der Krankenkasse beantragt. Hier seien gesetzliche Nachbesserungen unbedingt erforderlich. Der koordinierende Vorrang des SGB IX sei in der Praxis nicht durchgängig zu erkennen.
Von verschiedenen Sachverständigen wurde auch die Grüne Forderung nach einem Ausbau der Beratungsstrukturen für Menschen mit Behinderungen aufgegriffen. So sprachen sich sowohl die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAG FW), als auch die Lebenshilfe und Michael Conty für eine Verbesserung der Beratung aus. Das Leistungsrecht werde immer unübersichtlicher, so Conty, und bei gleichzeitig zunehmender Individualisierung und Personenzentrierung sozialer Hilfen sei der Ausbau unabhängiger Beratungsstrukturen, wie sie im Antrag der Grünen gefordert werde, wichtig und zielführend. Die Beratung durch die Rehabiliationsträger führe tendenziell zu Leistungsverkürzungen. Raimund Becker von der Bundesagentur für Arbeit (BA) führte aus, die Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sei durchgängig Thema bei der BA. Er verwies auf die Qualifizierungskonzepte für Reha-Beraterinnen und Berater und eine repräsentative Befragung unter Menschen mit Behinderungen über die Zufriedenheit mit den Beratungsleistungen durch die BA. Dort sei der BA die Note 2 gegeben worden. Die Grüne Forderung nach einer Stärkung der Servicestellen wurde von fast allen Sachverständigen begrüßt, die Vorstellungen über die Form ihrer Weiterentwicklung gingen allerdings auseinander.
Mit Bezug auf den Aktionsplan der Bundesregierung wies Dr. Valentin Aichele vom Deutschen Institut für Menschenrechte noch einmal darauf hin, dass zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention Maßnahmen über den Aktionsplan hinaus nötig seien. Stärker als bisher müsse in allen gesetzgeberischen Vorgängen die Konvention berücksichtigt werden.
Unten können Sie den Antrag der Grünen Bundestagsfraktion herunterladen. Dort wird in Kürze auch das Wortprotokoll der Anhörung zum Herunterladen zur Verfügung stehen.
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